Wer heute ein eBike kauft, landet zu 98 % beim Mittelmotor, der Antrieb direkt am Tretlager hat sich durchgesetzt. Dennoch gibt es sinnvolle Anwendungen für Heck- und Frontmotore. Auch in älteren Gebrauchtbikes kommen sie noch vor. Daher hier das Basis-Know-how zu den Antriebsarten.

Beim Antrieb unterscheidet man grundsätzlich drei Systeme – und zwar nach Einbauposition des Motors: Hinterradnabenmotor, Frontnabenmotor und Mittel- bzw. Tretlagermotor. Alle Antriebsarten haben unterschiedliche Fahreigenschaften und  spezifische Vor- und Nachteile.

Von einem Antriebssystem spricht man, wenn man die Gesamtheit von Motor, Akku und Display meint. Als Antriebsstrang bezeichnet man alle Teile am Fahrrad bzw. eBike, welche die Eigenleistung des Fahrers in Vortrieb umwandeln: also Pedal, Kurbel, Kettenblatt bzw. Ritzel, Kette und Kassette bzw. Ritzelpaket. Wir erklären die Vor- und Nachteile der  Systeme. Eine Auflistung nach Relevanz:


1Mittelmotor

Beim Mittelmotor (auch Tretlagermotor) ist der Motor im Bereich des Tretlagers am eBike integriert, er ist mit Abstand das populärste Antriebssystem.

Überzeugend sind seine optimale Gewichtsverteilung mit zentralem, tiefen Schwerpunkt und seine harmonische Kraftentfaltung. Mittelmotore messen über Sensoren an der integrierten Tretkurbel die Kraft, mit welcher der Fahrer auf das Pedal einwirkt und regeln darüber den Einsatz und die Kraft des Motors. Das erlaubt eine optimale Kontrolle über das eBike und ein natürliches, ausgewogenes Fahrgefühl.

Mittelmotore können mit allen Arten von Schaltungen und Bremsen kombiniert werden.

Auch Rücktrittbremsen sind generell möglich, so dass der Fahrer von Mittelmotoren beim Umstieg auf eine eBike nicht umlernen muss. Der allergrößte Vorteil des Mittelmotors ist, dass man auch bei sehr langsamer Fahrt maximale Leistung abrufen kann, denn der Motor dreht immer mit Kurbeldrehzahl und bewegt sich daher immer im optimalen Wirkungsbereich. Das ist ideal für Steigungen, also besonders bei eMTB und eTrekking-Bikes ein großes Plus.

Aufgrund seiner Bauart kann beim Mittelmotor keine Rekuperations-Funktion (Rückgewinnung von Bremsenergie) realisiert werden, da alle Mittelmotore motorseitig mit einem Freilauf vom Antrieb entkoppelt sind.

Außerdem ist eine spezielle Konstruktion des Rahmens für die Aufnahme eines Mittelmotors notwendig. Je nach verwendetem Motor ändert sich die Geometrie des Rahmens, weil je nach Baugröße des Motors die Kettenstrebenlänge dem Motor angepasst werden muss. Mittelmotore produzieren durch Ihre Einbaulage im Rahmen mehr oder weniger starke Geräusche, da der Rahmen oftmals verstärkend wie ein Resonanzkörper wirkt.

Der Mittelmotor zerrt zusätzlich zur Kraft des Fahrers am Antriebsstrang.

Deshalb erfahren Kette, Ritzel und Kassette einen wesentlich höheren. Ein Problem sind auch Mehrfachschaltsprünge moderner 10-fach und 11-fach Schaltungen unter Last, was im schlimmsten Fall zu Kettenklemmern und Kettenrissen führen kann.

Der Mittelmotor arbeitet optimal in MTBs und Trekkingrädern, wenn bei stark hügeligem Streckenprofil hohe Drehmomente bei geringer Geschwindigkeit benötigt werden. Marktführer im Bereich der Mittelmotore ist Bosch.

Vorteile: Alle Schaltungsarten sind möglich; Ausstattung eines »normalen« Fahrrads (konventionelle Laufräder usw.); keine aufwendige Verkabelung notwendig, wenn der Akku in Nähe des Motor ist; günstiger Schwerpunkt.

Nachteile: eigens entwickelter Rahmen notwendig; Rahmen muss stärker dimensioniert sein; höhere Entwicklungskosten; höherer Verschleiß an Kette, Kassette und Motorritzel; keine Rekuperations-Funktion möglich.

2Hinterradnabenmotor

Heckmotore sind als Direktläufer oder als Getriebemotor direkt in der Hinterradnabe verbaut. Vorteile sind ein ruhiger Lauf des Motors, eine sehr kräftige Leistungsentfaltung und einen gute Traktion. Ein Hinterradnabenmotor schont konstruktionsbedingt den Antriebsstrang des eBikes: Da die Motorkraft direkt am Hinterrad wirkt, werden Kette, Kassette und vorderes Kettenrad nicht zusätzlich belastet, der Verschleiß dieser Komponente ist deutlich geringer als beim Mittelmotor.

Im bergigen Gelände kann ein Hinterradnabenmotor an seine Grenzen gelangen, da er mit abnehmender Raddrehzahl auch immer langsamer dreht. Er kann nicht wie ein Mittelmotor via Schaltung immer im optimalen Wirkungsbereich gehalten werden. Sinkt die Raddrehzahl und wird zusätzlich eine hohe Leistung abgerufen – der typischen Situation am Berg – kann es bei bestimmten Motoren zu thermischer Überlastung kommen.

Der Hinterradnabenmotor kann zudem nur mit Kettenschaltungen oder Tretlagerschaltungen (Pinion, Hammerschmidt, etc.) kombiniert werden.

Rekuperation (Rückgewinnung von Bremsenergie) ist beim Heckmotor grundsätzlich möglich und wird von verschiedenen Herstellern (z.B. Go Swiss) realisiert.

Der Hinterradnabenmotor spielt seine Vorteile im urbanen Bereich aus. Hersteller von hochwertigen S-Pedelecs, wie z.B. Stromer setzen auf diese Variante. Ebenso werden Heckmotoren in City- und Lifestyle-Bikes verbaut (z.B. von Designo, Ampler und Coboc).

Heckmotor-Nachrüstsätze zum Selbsteinbau sind ebenfalls erhältlich (z.B. von Senglar und BionX) und im Gegensatz zur Frontmotor-Nachrüstung unproblematisch.

Vorteile: einfach Nachrüstung möglich; sehr leiser Motor; sehr kräftiger Motor; hohe Effizienz; Rekuperation möglich.

Nachteile: Ungünstiger Schwerpunkt; nur Ketten- oder Tretlagerschaltung möglich; oftmals schwieriger Ausbau des Hinterrades; für steile Bergfahrten und am Fully nicht optimal.

3Frontnabenmotor

Frontmotoren sind im Vorderrad anstatt einer Vorderradnabe verbaut und sind meist Direktläufer-Antriebe. Sie sind auch eine günstige Möglichkeit, ein normales Fahrrad in ein eBike zu verwandeln, da das bestehende Schaltungssystem am Fahrrad übernommen werden kann und man keine weiteren Veränderungen am Fahrrad benötigt.

Trotzdem ist der Frontnabenmotor, besonders bei Selbsteinbau eines Nachrüstsatzes, nicht unproblematisch. Er belastet die Achsaufnahme der Vorderradgabel sehr stark. Durch das Drehmoment des Motors können die Gabelenden aufbiegen und die Achse mitsamt Vorderrad aus seiner Führung brechen. Auch die Belastung an Steuerkopf, Gabelschaft, Gabelkrone und Steuersatz sind deutlich erhöht. Ein gutes eBike mit Frontnabenmotor muss also an diese Anforderungen baulich angepasst sein. Daher raten wir dringend vom Selbstumbau eines Fahrrads mittels Frontmotor ab. Es gibt Hersteller wie z.B. Utopia Velo Manufaktur, welche ausgereifte und belastbare Modelle mit Frontnabenmotor anbieten.

Auch das Fahrverhalten kann tückisch sein: Wenn der Frontmotors allzu abrupt einsetzt, kann das in Kurven, an Steigungen oder auf losem Untergrund zu Stürzen führen.

Der Frontnabenmotor hat seinen Vorteil hauptsächlich im geringeren Preis und im niedrigeren Gewicht im Vergleich zu anderen Systemen.

Vorteile: einfache Nachrüstung möglich; sehr leichter und leiser Motor; alle Schaltungsarten fahrbar; günstiger Preis.

Nachteile: hohe Belastung der Gabel kann zu Brüchen führen, kritisches Fahrverhalten, keine Kadenzsteuerung möglich.


 

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